Chronik

Vereinsgründung

Loge und Tuschendorf, damals politisch selbstständige Gemeinden, liegen genau zwischen Martfeld und Wechold. So verwundert die zeitliche Nähe der Vereinsgründungen nicht. Wie hatte man bisher gefeiert? Die lebensnotwendige Hilfe in der bäuerlichen Gesellschaft führte die Nachbarn auch beim feiern zusammen. Zu Richtfesten, Hochzeiten, Taufen und Beerdigungen nahm man sich reichlich Zeit. Die Mädchen gingen in „Köppel“, trafen sich mit ihren Spinnrädern. Da wurde vielerorts eine Quelle der Unmoral vermutet. Zum Erntebier wurde eine Bauerndiele geschmückt und Musik zum Tanz bestellt, so noch im Oktober 1874 beim Vorsteher Köster in Loge. Gemeinhin hielt Krüger Pehling dreimal im Jahr ein Tanzvergnügnen in seinem Wirtshaus (Loge Nr. 6) ab, im Januar, im Mai und im Oktober. Wir werden sehen, dass dieser Rhythmus vom Schützenverein später als Winterball, Schützenfest und Erntefest fortgeführt wurde.

Die Einwohnerzahlen stiegen im 19. Jahrhundert auch in Loge und Tuschendorf steil an und überstiegen bald Pehlings, später Winters räumliche Möglichkeiten. Die Mehrzahl der Menschen war jetzt in gewerblichen Berufen tätig als Tischler, Zimmerleute, Schuster und Händler, die waren nicht nahtlos in den bäuerlichen Festkanon einzubinden. Das Schützenfest, wie es an vielen Orten schon gefeiert wurde, war da eine allgemein begrüsste Lösung. Die Initiative ging gleichermassen von Bauern, Händlern undHandwerkern aus.

Warum musste das Feiern mit dem Schießen verbunden werden?

Scheibenschießen, dem obrigkeitlichen Verbot zuwider, war immer ein bisschen Revolution, ein Stück Demokratie gewesen. In vielen Häusern gab es heimlich Gewehre. Wilddieberei, auch sie traditionell ein revolutionärer Akt gegen das Jagdrecht der Aristrokraten, galt als läßliche Sünde. Eher war man froh, wenn weniger Hasen im Kohl saßen. Unter den Preußen gab es kein Lossystem, jeder taugliche junge Mann mußte Soldat werden und schießen lernen. Das alles lockte zum öffentlichen Wettbewerb. Alte Polizeiakten berichten vielfältig von Prahlerein, Beleidigungen und blutigen Prügeleien bei Dorffesten. Aber mit Prahlerei war eine Kugel nicht ins Ziel zu bringen. Das organisierte Schießen bot eine Gelegenheit zum objektiven Wettkampf, wie ihn schon Ludwig Uhland im Gedicht beschrieb:

„Was die neuen Früchte taugen,

sah man jüngst beim Schützenfest:

Allen tanzt es vor den Augen

und nicht einer traf ins Nest.“

Wer nun die Idee zum ersten Loger oder Tuschendorfer Schützenfest hatte und wo die Gründung des Vereins stattfand, wurde nicht überliefert. Bis 1910 fehlen alle Versammlungsprotokolle. Statuten, Mitgliederlisten, Abrechnungen der ersten Jahre sind verschwunden. So müssen wir aus späteren Nachrichten vorsichtige Schlüsse ziehen.

Präsident war 1910 Hermann Hopmann, und vielleicht schon längere Zeit. Hopmann war 1872 in Wechold geboren, in eben jenem Ort, wo der Gastwirt Fritz Hopmann damals Scheibenschießen veranstaltete. Seine Frau stammte aus Martfeld. Ein Sohn wurde 1900 in Loge, der zweite 1903 in Tuschendorf geboren. 1907 kaufte Hopmann die Anbaustelle Nr. 204, an der Logergrenze gelegen, aber nach Martfeld gehörig. Als Viehhändler war er von Haus zu Haus unterwegs. Er war genau der Mann, die Idee vom gemeinsamen verein Loge-Tuschendorf unter Einschluß der Martfelder Brandheide zu verteten. Schriftführer war 1910 Fritz Behning, auch er handelte mit Vieh und wohnte ziemlich genau zwischen Loge und Tuschendorf. Begeisterte Schützen war angeblich auch Johann Asendorf(Knops) und Johann Asendorf(Kranz), Heinrich Hartje und Johann Wedemeyer in Tuschendorf, sowie Wilhelm Tobeck in Loge.

Die älteste Mitgliederliste stannte von 1911. Da hatte der Verein bereits fünfzig Mitglieder. Sie werden hier getreu dem original benannt.

1. Joh. Asendorf 26. Dtr. Falldorf
2. Joh. Gräpel  27. H. Asendorf
3. Dtr. Ebeling 28. H. Engelmann
4. H. Hartje 29. H. Bargmann
5. Joh. Wedemeyer  30. Joh. H. Stege
6. H. Gräpel 31. Dtr. Ehlers
7. Herm. Hustedt 32. Dtr. Köster
8. H. Hennecke 33. Alb. Kohrs
9. Dtr. Harnecke 34. Fr. Suhr
10. Fr. Behning 35. Heinr. Hustedt
11. Dtr. Asendorf I 36. Joh. Köster
12. H. Böttcher 37. Joh. Soller
13. Joh. Asendorf II 38. Wilh. Meyer
14. Grg. Dreier 39. H. Kracke
15. Dtr. Soller 40. Dtr. Brinkmann
16. Herm. Hopmann 41. H. Köster
17. Wilh. Tobeck 42. Fr. Thöle
18. Dtr. Sudholz 43. Joh. Detlefsen
19. Joh. Dessau 44. Fr. Twitmeyer
20. H. Köhler 45. Joh. Dohrmeyer
21. D. Engelmann 46. Fr. Winter
22. H. Grimm 47. Jo. Rottmann
23 Fr. Engelmann 48. Ditr. Tecklenburg
24. Dtr. Asendorf II 49. Joh. Gotthardt
25. H. Blume 50. Fr. Hesse

Die technsichen Probleme wurden höchst einfach gelöst. Der Eitzendorfer Anbauer Fritz Bruns (Nr. 98) brachte seine Erfahrungen ein. Er zog mit den nötigen Gewehren von Fest zu Fest. Der Überlieferung nach waren es Militärgewehre 88, von denen es eine sporteigene Version gab. Das Versinfoto von 1925 zeit allerdings zwei Zentralfeuer-Doppelbüchsen, wie sie speziell in Suhl hergestellt wurden. Die Kugeln goß „Bruns-Vater“ aus Blei, füllte auch die Patronenhülsen selbst auf. Dafür zahlte der Verein nichts, bekam im Gegenteil sogar noch Geld von Bruns. So wird der auch die Aufsicht am Schießstandgeführt und das Schießgeld unmittelbar beim Schützen eingesammelt haben.

Chronik_Winter_Loge_klein

Gastwirtschaft Winter in Loge

Geschossen wurde auf eine Disstanz von 100 Metern. Der Schütze saß auf einem Stuhl und stützte seinen Arm auf die nach vorn gekehrte Lehne. Ein in die Erde geschlagener Pfahl trug in verschiedenen Höhen große Nägel, auf die das Gewehr gelegt wurde. Die eiserne Zielscheibe, schwarz mit weißem Zentrum, hatte zwanzig Ringe. Hinter ihr war ein Erdwall als Kugelfang aufgeworfen. Die Erde stammte aus einem Graben hinter dem Wall, in dem die Anzeiger standen. Ein Draht mit einem Glöckchen stellte die Verbindung zwischen Schießaufsicht und Anzeiger her. Nach dem Glockensignal kamen die Jungen aus der Deckung, zeigten die Treffer an und bemalten die Einschalgstelle mit neuer Farbe. Die selbstgefüllten Patronen werden keine hohe Brisanz entwickelt haben, doch flogen die Kugeln, die über die Deckung gingen, recht weit in die Landschaft. Es musste daher vorsorglich weiträumig abgesperrt werden. Von Unfällen ist nichts bekannt, eine Haftpflichtversicherung wurde aber alljährlich bezahlt. Da der neue Verein sein Schützenfest abwechselnd in Loge und Tuschendorf feierte, musste in beiden Orten ein Schießstand eingerichtet werden, was bei dem geringen Aufwand leicht zu bewerkstelligen war. In Loge schoß man gleich hinter Winters Gasthaus, in Tuschendorf etwas entfernt von der Ebelingschen Wirtschaft in der Wiese zwischen Engelmann und Harnacke.

Zehn Jahre genügte diese schlichte Organisationsform. Das erste Stiftungfest (1910) gab dann Anlaß über den Verein grundsätzlich nachzudenken. Mittlerweile war das öffentliche Leben in Deutschland sehr von militärischen Auftritten geprägt. Schon die kleinen Jungen trugen Matrosenanzüge. In der Schule wurden preußische und nationale Gedenktage gefeiert, die Hannoveraner von 1866 gingen aufs Altenteil. Nun konnten auch die Schützenvereine auf Marschordnung und Fahnen nicht verzichten. Loge und Tuschendorf machten da keine ausnahme.

1910 wurde für 170 Mark eine Fahne bestellt. Sie ist Heute noch vorhanden und trägt ganz verblaßt den damals üblichen Spruch „Üb` Aug` und Hand Für`s Vaterland“.

Hüte und Abzeichen verliehen den Schützenbrüdern nun ein einheitliches Erscheinungsbild. Das aufblühende Vereinsleben jener Jahre gab reichlich Gelegenheiten, auswärts aufzutreten. 1902 wurde der Wecholder Schützenverein gegründet, er schoß in Ermangelung eines eigenen Platzes anfangs in Loge. Auch Hustedt (1905) und Kleinenborstel (1909) schufen sich Vereine. Zur Fahnenweihe am Sonntag, dem 29. Mai 1910, kamen alle Nachbarvereine nach Tuschendorf und nahmen am großen Festumzug, an den Weihereden und am anschließendem Schützenball teil. Am Montag feierten die Loger und Tuschendorfer in Ebelings Gasthaus in einem geschlossenem Ball noch einmal ganz für sich weiter.

Mit Fahne und Abzeichen konnten sich die Schützen eindrucksvoll präsentieren. Sicher nahm der Verein in dieser Form Teil am hundertjährigen Gedenktag der Schlacht bei Leipzig, der am 18. Oktober 1913 auch in Martfeld mit öffentlichem Gottesdienst und anschließender Feier begangen wurde. Zwei Dutzend Schützen marschieren hinter der neuen Fahne, als am 10. und 11. Mai 1914 der Martfelder Schützenverein ein Stiftungsfest feierte. Danach bereitete man sich auf das eigene Schützenfest vor, das am 17. Juli stattfinden sollte: „Königsschießen ist am 5. Juli. Das Fest wird bei Gastwirt Ebeling abgehalten. Albert Hustedt liefert die komplette Scheibe für 5 Mark. Musik muß noch erst vom Vorstand vergeben werden. Der König erhält 20 Mark. Der zweite Schütze erhält 5 Mark. An Tanzgeld wird erhoben von Herren 1,50 Mark von Damen 0,50 Mark. Für Tanzordnung sorgt der Verein.

Das war für lange Zeit die letzte Eintragung in das Protokollbuch. DIe Tanzordnung konnte man wohl noch sicherstellen, doch in jenen Tagen brach die Weltordnung zusammen. Zehn Tage vor dem Königsschießen wurde in Sarajewo der österreichische Thronfolger ermordet. Die folgenden Wochen lagen, wie der damalige Pastor Twele schrieb, mit bleierne Schwere auf dem Land. Am 1. August 1914 erklärte Deutschland Rußland den Krieg, der erste Weltkrieg begann. Bald waren die meisten Männer fort, die Arbeit des Vereins ruhte völlig. Dafür wurde in Martfeld ein „Vaterländischer Frauenverein“ gegründet, der Gelder für das Rote Kreuz sammelte und Pakete mit Liebesgaben an ide Front schickte.

Der Krieg dauerte 4 Jahre. Der Kaiser, zu dessen Ehren Krieger- und Schützenvereine so oft angetreten waren, ging am 10. November 1918 ins Exil nach Holland und dankte ab.